Ausstellung „Wildwuchs ..."
Alstervorland, Aussenalster, Hamburg, 1996 Bilder und Skulpturen von Sybille Kreynhop aus 1995 und 1996 Dr. Karl-H. Hoyer, Kunsthistoriker Wir sehen hier eine Ausstellung, wir werden hier konfrontiert mit Bildern und Skulpturen von Sybille Kreynhop in der Natur, an einem Platz, der berühmt wurde und der in Vergessenheit geriet – bis heute: denn hier stand 1953 die damals aufsehenerregende Ausstellung PLASTIK IM FREIEN anlässlich der internationalen Gartenbau-Ausstellung auf dem Alstervorland am Harvestehuder Weg vom 30. April bis zum 31. Oktober 1953. Da stand hier der singende Klosterbruder von Ernst Barlach, Jean Arp mit seinen anthropomorphen Skulpturen, dann Heiliger, Lardera, Manzù, Manol, Maillol, Henry Moore, Marino Marini, Max Bill ... Diese Plastiken im Freien entfalteten eine unglaubliche Wirkung auf die Betrachter – ungewohnt, sie im Freien, in der Natur zu sehen, – ungewohnt, konfrontiert mit Weltkunst nach langer Gefangenschaft der Künste in der Naziherrschaft – das waren Plastiken ... und nun sind es meist Ölbilder, große Leinwände, die hier im Freien stehen, in der Natur. Übrigens, als der Platz ausgesucht wurde, wussten Sybille Kreynhop und ihre Crew noch nichts von der berühmten Ausstellung. 25 große Spachtelbilder sind es heute, denn schnell muss und will sie arbeiten. Das bedeutet große Konzentration vom inneren Auge her und Neuschöpfung neben der Natur – die auch natürlich ihren Gesetzen folgt, doch normalerweise ungebändigt und ungebärdig ist, wenn nicht die Schere und die Säge des Menschen – hier der Hamburger Gärtner – wären. Und gegen ihre eigene Ungebärdigkeit und Schnelligkeit – sie ist wahrhaft eine Wilde, schon das Autofahren mit ihr, da können Sie sich einen Trip mit den Helldrivers sparen – da setzt sie eben eine enorme Konzentration ein. Das ist es, Neuschöpfung: Kunst und Natur stellen sich mir als eine Vielzahl von positiven Verbindungen dar, aber auch von Gegensätzen. Was nicht von der Natur gestaltet ist, was der Mensch umformt nach seinem Innenbild, das ist Kunst. Aber die Kunst ist auch ein Baum mit vielen Zweigen, auf denen verschiedene Arten von Kunst gedeihen können ... Und diese Verzweigungen finden wir ja auch im Werk von Sybille Kreynhop, denn schließlich sind die hier gezeigten Werke erst einmal Letztprodukte von 1995/1996. Also: Da beginnt es etwa vor 25 Jahren mit einem optimalen Realismus, straffer Arbeit am Gegenstand, dann surrealen Einschiebseln, dann die Nacht- und Dämmerungsbilder, die um ihre Person kreisen, dann die Tagbilder, mit anderen Farben natürlich, die weit von den Realitäten abgehen, aber schließlich, ist nicht eine, ihre innere Vorstellung auch eine Wirklichkeit und gehört zu unserem Leben? Noch vor wenigen Jahren waren ihre Figurationen – die Figur ist ihr zentrales Thema – noch sichtbarer, heute sind sie versteckt. In den großen Bildern sollten Sie Figuren entdecken – und bei einigen wird es Ihnen gelingen –, sonst erreicht sie hier in dieser Schaffensphase eine starke Annäherung an das Ungegenständliche, allgemein nicht ganz richtig: Abstrakte genannt. Das ist gut so. Wenn wir hier und da nichts mehr Figurales sehen können und es auch nicht wollen, haben wir die großartige, unbegrenzte Möglichkeit des Hineinsehens und Heraussehens. Denn schließlich können uns die Künstler erzählen, was sie wollen. Das Werk ist nun einmal entlassen und somit der Auseinandersetzung ausgeliefert, ausgeliefert den verschiedensten Betrachtungsweisen, aber immer unter der Maßgabe, ja dem Diktat der Stimmigkeit, der Qualität, der Ordnung des Bildraumes, dem überzeugenden Zueinanderstehen der Farben, sei es im Sinne der Harmonie, sei es als Symbol, als Stimmung, als expressiver Aufschrei, sei es als raumschaffendes Element. Ich bin nicht hierher gekommen, um Ihnen einen Lebens- und Schaffenslauf der Künstlerin zu geben. Das haben schon andere gemacht. Ich möchte Ihnen einige Hilfen des Verständnisses bieten. Also: Sybille Kreynhop hat nicht viel Sinn für die Landschaft als Vedutte, als Ansicht. Es gibt sie kaum in ihrem Werk. Und eine ganze Anzahl der hier gestellten Bilder sind im Atelier gemalt – bedenken Sie, im Atelier! So die großen Spukgestalten, die Wächter, nachtblau/gelb/nachtblau, Wächter, die Mittler zum Verborgenen sind, zum Anderen. Oder die sogenannten „Kopfbilder", davon gibt es drei – finden Sie sie heraus! Aber es gibt auch „Wächter" mit ein ganz wenig Landschaft, in Dänemark gemalt – und das draußen, als Freilichtmalerei. Da ist Sybille Kreynhop jetzt dabei. Eine gefährliche Vergeistigung erfährt das schmale, in die Vertikalität aufstrebende, „Kachelbild" nennt sie das (Warum? Fragen Sie sie!), ein gefährliches Format voller Anspruch. Vertikale Linie, gotische Linie, extreme Vergeistigung anzeigend. Ursprünglich ein Vogel, verklebt? (So sagte sie es.) Nein, scheint mir, ein Flugkörper, nach oben getrieben, nach oben gerissen. Gelungene Vertikalität, aus ihrer Vorstellung geboren und nun von ihr entlassen: Also, da haben wir die Geschichte, müssen wir uns damit auseinander setzen. Tun Sie es, mehr möchte ich nicht zu diesem Bild sagen ... Und schauen Sie auf die Skulptur aus Granit und Stahl und im Durchblick auf das Bild, und das steht an der ihr wichtigsten Stelle: am Ende der Welt, uralte/neue Gedanken haben es geschaffen. Uralte Wächterfiguren, Spukgestalten, Körperschatten zwischen Diesseits und Jenseits – da gibt es bei Sybille Kreynhop eine Identifikation von Übermensch und Übernatur, die Assoziationen von prähistorischen Gebilden, die ihre Figurationen oft auslösen, es sind keine scheinbaren, sie sind Urformen. Das alles war in ihr, obgleich sie nie die Menhir-Statuen Korsikas, die anthropomorphen Götterbilder etwa der bronzezeitlichen Betragne gesehen hat. Da müssen wir auch den Zwang bewundern, das Bedürfnis, ihre zweite Geschichte in Bildwerken auszumalen und zu bewältigen. Wie Tag und Traum einander ergänzen müssen, wird auch die Kunst – siehe Kreynhop und ihre Künstler-Kollegen – niemals von der Erde verschwinden. Nicht zuletzt ihre Kritiker leben von ihr. Der englische Kunstkritiker Sir Kenneth Clark teilt die Maler ein in
Maler, die malen, was sie sehen, Die Größenordnung eines Künstlers zu bestimmen, gehört zu den Anmaßungen der Kunstkritik und Kunstgeschichte. Welcher Platz den Künstlern unseres Jahrhunderts einmal eingeräumt werden wird, ist eine verfrühte Frage. Wichtig aber immer und heute ist ihr Beitrag für die Kunst, für den Betrachter. Und hier ist gearbeitet worden, hier wird gearbeitet, intensiv, unglaublich hartnäckig – und vor uns steht ein vielgesichtiger Beitrag zur Bilderwelt des Menschen.
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Kunstschule Atelier
Sybille Kreynhop www.kunstschule-kreynhop.de Beschreibung zum Bild unten Titel "Das Zuhören - Du musst auch mal zuhören … Sa. - Gute Gedanken" - 2015 | Bleistift, Feder, Aquarell auf Papier | 70 x 100 cm Beschreibung zum Bild unten Titel "Aufbruch" - 2014 | Öl auf Leinwand | 120 x 150 cm (Bildausschnitt) |