Beziehungen finden oder: Von der Teilhabe der Kunst und der Kunst der Teilhabe
Auszug aus der Einführung zur Einweihung von Sybille Kreynhops „Trilogie", 1999 Christian Heeck, Kulturreferent, UKM, Münster Sybille Kreynhop zeigt, dass ohne schöpferischen Ausdruck nur schwer Schönes zu schaffen ist. Nach ihrem Kunststudium in Kiel und Hamburg und Abschluss im Fach Illustration lotet sie fünf Jahre lang die Möglichkeiten der Zeichnung aus, dann Anfang der 80er-Jahre die Hinwendung zur Malerei, dann der Skulptur, Mitgliedschaft im BBK Hamburg, namhafte und erfolgreiche Ausstellungen im In- und Ausland. Die Medien sind längst auf sie aufmerksam geworden, haben Porträts gesendet, führende Galerien zeigen ihr Werk. Eindrücke ausdrucksvoll zu sammeln und zusammenfassen zu können, das ist die Kunst. Sie zeigt sich in der spannungsvollen und äußerst kraftvollen Gestaltung dieser Arbeit. Dabei hat das Werk eine (Stand-)Festigkeit, die man nur als gelassen bezeichnen kann. Kaum aufgestellt, wirkt die Trilogie, als habe sie an diesem Ort schon immer gestanden, würde schon seit langem zwischen Haus und Trompetenbaum vermitteln, auf der Erde verankert auf den Himmel verweisen. Unaufgeregt. Gelassen auch in der Ausführung: kein „barockes Rankenwerk“, kein Klang zu viel oder zu wenig, ohne in die Nähe der Sinnesarmut zu geraten: Konzentration zu gewinnen aus dem Wenigen, das Fülle ohne Vielheit zeigt, und nicht zuletzt die fast lässige souveräne Verbindung malerischer und skulpturaler Ausdrucksmittel macht diese Arbeit in meinen Augen zu einer wirklichen Entdeckung. Erstaunen über ein anhaltendes Talent, Freude über Kunst jenseits der vertrauten Kunstmarktrituale – der Glücksfall einer grundsolide ausgebildeten Künstlerin, die, von der Zeichnung kommend – Sybille Kreynhop hat seit 1975 u. a. Kinderbücher illustriert – sich auf die freie Kunst einlässt, aus beharrlichem Entdecken unbeschrittener Pfade ihr Werk gewinnt, die, ganz unmodern, dem Material und dem Ausdruck noch etwas zutraut. Es gibt ja durchaus zweierlei Weise der schöpferischen Arbeit: jene, die gegebene Technik und Motivwelt fortführt, und jene, die dahin vordringen möchte, wo bislang in unseren Landkarten weiße Flecken verzeichnet sind. Kunst steht in Beziehung zum Unbekannten, sagt Baumeister. Diese Arbeit zeigt, dass Kunst (wie die Liebe) aus Wagnis gewonnen wird. Sybille Kreynhop durchforscht die künstlerische Erfahrung auf der Suche nach Möglichkeiten, neu über die Beziehungen der Teile zum Ganzen praktisch nachzudenken. Das Ergebnis der Findung ist aufregend. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Nehmen Sie aus einem Bild von Matisse eine Farbe heraus, stürzt alles zusammen. Darum geht es in der Kunst: wie weit darf ich reduzieren, ohne die Komposition zu verlieren, wie viel muss ich stehen lassen, damit das Wesentliche sichtbar ist. Von Rodin kommt der Gedanke, was Kunst an einer Skulptur sei, sähe man, wenn man sie einen Berg hinunterwerfen würde. Denken Sie an die Torsi antiker Bildhauer. Es geht, wie beim Brot- oder Kuchenteig, wie bei der Liebe, ganz entscheidend um das „Mehr“ oder „Weniger". Wie nah oder wie distanziert müssen die Teile des Werkes – hier sind es eben nicht nur Farben oder nur Stein – zueinander in Beziehung gebracht werden, um je für sich noch erkennbar, aber als Ganzes wahrgenommen werden zu können? Die Haltung der Künstlerin zu ihrem Tun ist sich nicht im vorhinein gewiss, muss sich finden: vielleicht in einem Akt der Meditation, wie schon Leonardo seine Landschaften, Cézanne seinen Berg aufspürte: sie ist Entwurf und dann Weitergestaltung, sie ist Idee und dann wird sie Werk. Nur Idee – auch solche Kunst kennen Sie – ist selten plastisch; nur Werk ist nicht schon Kunst. In einem das andere zu zeigen, darin liegt Gelingen. Diese Arbeit ist gelungen. Sie ist für diesen Ort gemacht – das war und ist stets der Wunsch und die Aufgabe von Kunst, einen richtigen Ort zu haben, einen topos (mitunter herübergeholt aus dem oi-topos, dem Nichtort, der Utopie). Kunst ist nicht fürs Museum gemacht, sondern für die lebendige Welt der Menschen, mitunter natürlich auch für Götter. Das ist mit Teilhabe, Partizipation gemeint. Kunst unter freiem Himmel ist naturgemäß zunächst obdachlos. Ihr Ort, ihre Verortung wird damit bedeutsam. Nicht alles kann man überall zeigen. Kunstwissenschaftler sprechen vom Ende der autonomen Skulptur und meinen damit Kunst als Teil des Stadt- oder Landschaftsbildes in gegenseitigem Dialog. Ihre Schutzlosigkeit ist uns damit anvertraut – und ihre Freiheit, ein Wort, das die Künstlerin zur Beschreibung ihres Werkes aufgreift. Bilder „in die Natur zu integrieren, bedeutet auch, sie in die Obhut aller Menschen zu geben" (Kreynhop). Die Marmorstelen zeigen auf den Himmel, vielleicht tragen sie ihn ja sogar ein wenig wie Säulen, die früher Portale bildeten. Sie öffnen Raum. Himmel ist auch das Blau im Bild, das Rosa schützend, rosa, wie unsere Haut ist, wie Gauguin benutzte als Kostbarkeit, als Erinnerung und Platzhalter für das komplementäre Gelb, das zu laut wäre auf dem stillen Weiß, dem meditativen Grund des Bildes: von Stille wissend, Stille gebend. Obeliske, also heilige Steine, wurden an Orten der Kraft aufgestellt, diese sind glatt und bearbeitet, wie Rinden verschiedener Bäume. Menschenhaut unterschiedlicher Lebensalter. Bilder dienten der Beschwörung, waren Standbild und Erinnerung, das es mehr gibt und geben muss als Marketenderei. Trinität wissen wir als Zeichen für das Nicht-Erkennbare: Bilder der Kunst sind Religion. Ein erkannter Gott ist kein Gott. Mehr sagen, als dieses Werk tut, wäre Bevormundung. Bitte finden Sie IHREN Eindruck Wir haben den Ort der Künstlerin beschrieben: Unbemühtheit. Offenheit gegenüber ihrem Arbeitsprozess und zum Betrachter hin. Gekonntheit, die nie Virtuosität meint, nie Selbstzweck ist, sondern sich dem Bildsinn selbst verpflichtet. Frische, Lebendigkeit, Wachheit. Das Werk bringt uns wieder mit einer Kunst in Berührung, die von persönlicher Authentizität lebt, mit Kunst, die persönliche Eindrücke aufzunehmen in der Lage ist, mit Kunst, die den Mut zum Arbeiten ohne Vorbild hat, mit Kunst, die auf sich selbst und den Eindruck vertraut, den unsere Wahrnehmung von der Natur-Wirklichkeit gewinnen kann, wenn wir uns dem Augenblick der Empfindung öffnen können.
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Kunstschule Atelier
Sybille Kreynhop www.kunstschule-kreynhop.de Beschreibung zum Bild unten Titel "Das Zuhören - Du musst auch mal zuhören … Sa. - Gute Gedanken" - 2015 | Bleistift, Feder, Aquarell auf Papier | 70 x 100 cm Beschreibung zum Bild unten Titel "Aufbruch" - 2014 | Öl auf Leinwand | 120 x 150 cm (Bildausschnitt) |